„Niemand, der nicht schreibt, weiß, wie fein es ist, zu schreiben. Früher habe ich immer bedauert, nicht gut zeichnen zu können, aber nun bin ich überglücklich, daß ich wenigstens schreiben kann. Und wenn ich nicht genug Talent habe, um Zeitungsartikel oder Bücher zu schreiben, gut, dann kann ich es immer noch für mich selbst tun.“
Anne Frank, Tagebucheintrag
„Mama, ich kann lesen!“ Euphorisch empfing ich eines abends meine Mutter, als sie von der Arbeit nach Hause kam. Fünf Jahre war ich alt und ich habe mir – wohl aus Langeweile – während einer langen Krankheit selbst das Lesen beigebracht. Zunächst mit Hilfe von Bildern in einer Fibel einzelne Wörter angeeignet. Irgendwann hat es klick gemacht und ich habe begriffen, dass man diese Zeichen, die man Buchstaben nennt, immer wieder neu kombinieren kann und dass jedes einem eigenen Klang folgt. Der Knoten war geplatzt, meine Freude kannte keine Grenzen und ich eroberte mir die Welt der Bücher. Jetzt konnte ich die Zeit nicht nur mit meinen fantasiereichen Spielen füllen, sondern auch mit geschriebenen Geschichten anderer Menschen.
Etwa zur gleichen Zeit begann ich auch zu schreiben. Als ich in die Schule kam, erfand ich kleine Geschichten von Zwergen, Riesen, Tieren und Fantasiegestalten. Einmal schrieb ich ein Märchen über einen Ball, der seine Erlebnisse erzählt. Meine Grundschullehrerin war begeistert. Sie bat mich, diese Geschichte in der Klasse vorlesen zu dürfen. Meine Mitschüler fanden das witzig, was mich sehr betrübte, denn witzig sollte diese Geschichte nicht sein. Ich glaube, einige dachten wohl dass ich ein wenig spinnen würde, womit sie vielleicht gar nicht so Unrecht hatten.
Noch während des ersten Schuljahres musste ich für drei Monate in ein Kinderheim, um eine Krankheit auszukurieren, wieder zu Kräften zu kommen, denn die Ärzte befanden mich als zu klein, mager und schwach. Ich fühlte mich keineswegs so, aber was sollte ich machen?
Nun also waren es Briefe, die ich – von Heimweh geplagt – nach Hause schrieb.
Heute ist mir klar, dass Schreiben damals für mich eine Art Sprachrohr war, um nicht an all dem zu ersticken, was mich bewegte.
Mit neun Jahren begann ich Tagebuch zu führen, kleine Begebenheiten aus dem Alltag, die ich in Schulhefte oder auf Zettel schrieb. Als ich zwölf Jahre alt war, erstellte ich mir dann ein richtiges kleines Buch aus schönem Papier, das ich in Leinen band. Nun verfasste ich auch meine ersten Gedichte, eher Aphorismen, die ich in diesem Büchlein festhielt. Ich liebte es, auf dieses schöne Papier mit mit schwarzer Tusche zu schreiben.
Zu jener Zeit hatte ich immer kleine Hefte und einen Stift dabei, um mir jederzeit Notizen machen zu können, wenn ein Gedanke mich ansprang. Ich beobachtete Menschen, versuchte mich in sie hineinzufühlen und schrieb dann kleine Geschichten um diese Personen.
Nach einem traumatischen Erlebnis im Alter von 16 Jahren habe ich das Schreiben über meine eigenen Gedanken und Gefühle für fast vier Jahre aufgegeben. Erst als ich nach einem Autounfall im Krankenhaus lag, brachte mich ein Therapeut dazu, wieder zu schreiben. Eigentlich ging es darum, bestimmte Dinge in einer Gesprächstherapie zu klären. Ich machte jedoch völlig dicht, fand keine Worte, konnte oder wollte nicht reden. Irgendwann fragte der Therapeut, ob ich es aufschreiben könne. Erst verneinte ich, denn gerade das Schreiben über meine Gefühle hatte ich ja aufgegeben. Irgendwann jedoch erzählte ich ihm, eigentlich immer geschrieben hatte.
„Und jetzt schreiben Sie gar nicht mehr?“, fragte er.
„Doch, schon, ich muss ja – im Studium. Aber auf keinen Fall etwas, das mit mir zu tun hat.“
In diesem Moment spürte ich in mir ein bedingungsloses Ja. Ich bin diesem Therapeuten noch heute dankbar, dass er mich geduldig, ohne zu Drängen, wieder zum Schreiben gebracht hat. Anfangs war es schwer. Ich saß oft vor einem leeren Blatt, war gehemmt, es schien fast, als fürchtete ich, die geschriebenen Worte könnten das nach außen lassen, was ich lieber verborgen hätte. Aber nach und nach löste sich diese Blockade und letztlich war es wie ein Fluss, der unaufhaltsam dahinströmte – all die ungesagten Worte landeten auf dem Papier.
Von da an schrieb ich regelmäßig. Gedichte, Kurzgeschichten, meine Gedanken, Gefühle, Erlebnisse. Natürlich gab es die Jahre, als mir oft die Zeit fehlte, die Kinder waren klein, nebenher forderte der Beruf mich sehr. Aber immer schuf ich mir mein Eckchen und schrieb. Es war Freizeit für mich, Entspannung und einfach Freude.
Bis ich an die Öffentlichkeit ging, hat es lange gedauert. Ich weiß heute, dass Schreiben für mich von Anfang an eine Art Überlebensstrategie gewesen ist und ich bin mehr als dankbar, dass mir diese Ausdrucksmöglichkeit gegeben wurde. Immer hat mir mein Schreiben geholfen, so manchen Stolperstein im Leben zu bewältigen. Dass es auch Spaß macht und vielleicht sogar andere Menschen berührt – das ist wie ein Geschenk.
Für mich ist Schreiben nicht nur eine Möglichkeit, mich mitzuteilen, zu verarbeiten, sondern es heißt auch, in andere Menschen einzutauchen, mit ihnen in eine Art inneren Dialog zu gehen, der sich im Schreiben konkretisiert.
Wie sagte Malcolm Stevenson Forbes?
„Feder und Papier entzünden mehr Feuer als alle Streichhölzer der Welt.“
Über das Glück
Wir Menschen streben nach dem Glück. Unser Grundgesetz nennt dieses Streben nicht explizit im Sinne eines Rechts auf Glück, aber es garantiert uns Freiheits- und Menschenrechte, die uns helfen, unser persönliches Glück zu erreichen. Dies hängt individuell davon ab, wie wir diese Rechte und Freiheiten nutzen.
Gute Tage ...
O ja, es gibt sie, diese guten Tage, an denen ich auftanken kann, die ich konservieren möchte, dass sie nicht nur Erinnerung bleiben, sondern in mir wohnen können.Es sind Tage, an denen nicht nur Kleinigkeiten, scheinbar unbedeutend, die Stunden erhellen. Sie sind ein Ganzes, allumfassend vermitteln sie ein Gefühl des sich Spürens, des Wahrnehmens meiner Mitmenschen und ich empfinde mich dann als eins mit der Welt.Gestern war so ein Tag. Draußen hat es geregnet und gestürmt, die Welt erschien grau und kurz habe ich es wie eine Art Schatten gespürt: Dieses Grau wollte sich auf mein Gemüt legen. Nein, beschließe ich und überlege, wie ich diesen Tag füllen kann, damit er für mich ein guter Tag wird.„Ich male dir den Regen bunt“, hat meine verstorbene Freundin immer gesagt, also ist es an mit, diesem Grau Farbe zu geben.Ich habe zunächst Ursel, die Mutter meines Schwiegersohns, im Heim besucht. Über eine Woche bin ich nicht bei ihr gewesen. Diesmal war eine Physiotherapeutin da und hat mit Ursel trainiert. Sie soll wieder lernen, mit dem Rollator zu laufen. Endlich bewegt sich etwas. Ursel hat sich sehr über diesen kleinen Fortschritt gefreut. Und auch, dass ich sie besucht habe. Wir haben uns über eine Stunde sehr nett unterhalten. Also war es auch für sie ein guter Tag.Zu Hause habe ich mich in Social Media eingeloggt und erhielt dort eine virtuelle Umarmung, mit der ich nicht gerechnet habe. Besser konnte der Tag nicht werden.Den Nachmittag habe ich für mein Schreiben genutzt und mir anschließend einfach Ruhe gegönnt, gelesen, Musik gehört.Der gestrige Tag hat sich für mich bunt angefühlt.
Wie ich zum Schreiben kam
„Niemand, der nicht schreibt, weiß, wie fein es ist, zu schreiben. Früher habe ich immer bedauert, nicht gut zeichnen zu können, aber nun bin ich überglücklich, daß ich wenigstens schreiben kann. Und wenn ich nicht genug Talent habe, um Zeitungsartikel oder Bücher zu schreiben, gut, dann kann ich es immer noch für mich selbst tun.“